Auch wenn man ein Instrument schon lange kennt, kann man doch auch nach Jahren immer noch wieder neue Seiten an ihm entdecken – und das in besonderem Maße bei einem so vielseitigen und vielschichtigen Instrument wie der Orgel.
„Meine“ Orgel in St. Viktor Damme hat vor rund drei Wochen
von der betreuenden Orgelbaufirma Fleiter in Münster nochmal eine kleine Überarbeitung erfahren – ein relativ kleiner Eingriff aber mit großer Wirkung!
Schon auf der LP-Aufnahme mit Widors 1. Symphonie, die 1976 ein Jahr nach dem Bau der Orgel
eingespielt wurde, ist an einigen Stellen der Winddruck-Verlust im Schwellwerk zu hören, der teilweise zu Verstimmungen führte. Seit vielen Jahren stellte das ein massives Problem bei der Orgel
dar, so dass das Schwellwerk nie uneingeschränkt registriert werden konnte – oft habe ich es nur als „färbendes Beiwerk“ ans Hauptwerk gekoppelt oder im Grundstimmenbereich so viel wie möglich
„windfressende“ Register abgestoßen; auch die Aliquoten waren im Plenum kaum nutzbar, vom 16'-Bordun (dem einzigen labialen 16' in den Manualen) ganz zu schweigen, da er alle anderen Register „in
die Knie zwang“…
Als die Orgel 2013 durch Fleiter saniert wurde, haben wir versucht, dem Problem durch Schmaler-Schneiden der Tonventile beizukommen, was aber nur von mäßigem Erfolg gekrönt war.
Die jetzt durchgeführte Maßnahme stand schon länger im Raume: Das Schwellwerk erhielt nun einen komplett neuen Windladenbalg (als großen Schwimmerbalg im mittleren Untergehäuse). Außerdem wird
die große Oktave des Bordun 16' nun mit Einzeltonladen angesteuert, die ihre Windversorgung vom Hauptwerk erhalten. Systembedingt gab’s auch einen neuen Tremulant als Auslasstremulant.
Das Ergebnis ist überwältigend: Erstmals seit 46 Jahren ist die Orgel jetzt in ihrem ganzen Klangfarbenreichtum nutzbar. In den letzten Wochen habe ich die verschiedenen neuen Möglichkeiten nach
und nach erkundet und versucht, bis an die Grenzen zu führen: Es gibt keinerlei Winddruckabfall, keinerlei (windbedingte) Verstimmungen mehr! Ich kann jetzt Registerkombinationen nutzen, die
vorher undenkbar waren! Besondere Freude bereitet mir auch der neue Tremulant, der einen „edleren“ Klang erzeugt als sein Vorgänger und zudem geräuschärmer arbeitet.
Nachdem ich dann heute Vormittag noch die elektrischen Koppeln nachreguliert habe, so dass sie nun bei allen Tönen voll durchziehen und auch das Glockenspiel auf allen Manualen uneingeschränkt
nutzbar machen, wähne ich mich an „meinem“ Instrument fast wie an einer neuen Orgel!
Ein besonderes „Geschenk“ waren dann heute noch die Vorbereitungen auf das morgigen digitale Kinder-Orgelkonzert „Orgelbauer Fröhlich und die musikalische Zeitreise“. Heute Nachmittag fanden die technischen Vorarbeiten statt; und während sich
Prof. Tomasz Adam Nowak – einer der profiliertesten Orgel-Improvisatoren Deutschlands – an der Orgel „einspielte“, konnte ich das sozusagen als „Privatkonzert“ an meiner „neuen“ Orgel aus dem
Kirchenraum genießen. Sowohl sein Spiel als auch die vielen ungeahnten Klangfarben haben mich fasziniert, so dass ich schon mit großer Vorfreude auf das morgige Konzert blicke.
Zum (bei uns etwas vorgezogenen) „Tag der Orgel“ im „Jahr der Orgel“ eine besondere Ehre!
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Friedrich Sprondel (Samstag, 11 September 2021 01:49)
Danke für diesen Bericht, sehr interessant. Ich habe Widors Erste in Günter Bergers Aufnahme aus Damme kennengelernt. Schon damals habe ich mich gefragt: Wo steht denn eigentlich die große Oktave des Borduns? Auf allen Fotos sieht das SW aus wie ein handelsübliches Führer-Brustwerk (das ja auch drinsteckt – Holzgedackt, Rohrflöte, Nasat, Prinzipal 2', Terz, hohe Mixtur, fehlt nur das Regal).