Der Brabanter Orgelbauer Jan van den Panhuysen

Verbindungen zwischen Flandern, Spanien und dem Rheinland

Dr. Gabriel Isenberg (Stand: 21.04.2021)

Orgel der Iglesia de Santo Domingo de Sanlúcar de Barrameda, deren Hauptgehäuse möglicherweise auf Jan van den Panhuysen (1657) zurückzuführen ist.
Orgel der Iglesia de Santo Domingo de Sanlúcar de Barrameda, deren Hauptgehäuse möglicherweise auf Jan van den Panhuysen (1657) zurückzuführen ist.

Der Brabanter Orgelbau des 16. und 17. Jahrhunderts ist vor allem durch die Forschungen des Musikwissenschaftlers Maarten Albert Vente in den 1950er und 60er Jahren bekannt geworden. Von hier aus bestanden viele Kontakte auch in entferntere Regionen: Im benachbarten Rheinland und in Westfalen nahmen die Brabanter Orgelbauer zeitweise großen Einfluss auf die Orgelbaukultur, und ein intensiver Austausch bestand ab dem 16. Jahrhundert auch mit Spanien.
Beispielhaft für diese internationale Präsenz ist der Orgelbauer Jan van den Panhuysen, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in allen drei genannten Landschaften Spuren hinterließ: Geboren wurde er in der flämisch-brabantischen Gemeinde Rotselaar – rund 30 Kilometer östlich von Brüssel. Von da aus ging er zunächst nach Spanien (Andalusien), bevor er wieder in seine Heimat zurückkehrte und bis in den Kölner Raum wirkte.
Durch andere Forschungen bin ich zufällig auf den Namen dieses Orgelbauers gestoßen und habe mich einmal etwas näher mit ihm befasst, da zum einen noch ziemlich wenig über sein Leben und Werk bekannt ist und zum anderen die z. T. in der Literatur zu findenden Angaben widersprüchlich waren. Großer Dank gilt dabei Heinz-Josef Clemens, dem ich einige wesentliche Hinweise und quellenkundliche Hilfe verdanke!

Die Suche nach Erwähnungen des Orgelbauers wird insofern erschwert, als es viele verschiedene Schreibweisen seines Namens gibt:
Sein Vorname ist in den verschiedenen Versionen von Jan über Janne bis zu Joannes bzw. Johannes zu finden. Der Familienname taucht in den verschiedenen niederländischen Schreibweisen Panhuijs / Panhuys bzw. Panhuijsen / Panhuysen auf, oft mit dem Namensbestandteil van oder vanden bzw. van den/der/de. Vor allem in deutschsprachigen Quellen stößt man auch auf Formen wie Panhuisen, Panhausen oder Bannhausen.
Neben einigen orgelspezifischen Quellen sind nicht zuletzt auch genealogische Quellen[1] wichtige Hilfsmittel zum Verständnis familiärer Zusammenhänge.

FAMILIÄRE ZUSAMMENHÄNGE
Die Familie van den Panhuysen nahm über mehrere Generationen eine wichtige Stellung innerhalb der Gemeinde Rotselaar ein, so sind alleine drei Familienmitglieder als Bürgermeister der Gemeinde belegt: 1606–1632 Joannes van den Panhuysen (I), 1633–1665 dessen Sohn Joannes van den Panhuysen jun. (II) und nochmals (1665?)/1689–1705 Abraham van den Panhuysen.
Der erstgenannte Joannes van den Panhuysen (I) wurde um 1575 geboren und war Besitzer der Brauerei und des Gasthauses Sint-Antonius unmittelbar neben der Sint-Pieters-Kirche von Rotselaar. Van den Panhuysen hatte das Bürgermeisteramt in Rotselaar 26 Jahre bis zu seinem Tod am 11.12.1632 inne. In seinem Gasthaus fanden auch die Versammlungen der Ratsherren statt; van den Panhuysen war einer der größten Grundbesitzer der Gemeinde. Am 05.06.1599 heiratete er die aus Leuven stammende Dymphna Ourogge (Aurogge), mit der er 10 Kinder hatte.
Ältestes Kind war Joannes van den Panhuysen jun. (II), getauft am 09.07.1600 in Rotselaar. Auch bei ihm wird später als Beruf Bierbrauer genannt. Um 1625 heiratete er Anna Grietens (get. 19.06.1605, gest. 04.05.1669) aus Haacht. Deren jüngere Schwester Catharina Grietens (get. 14.09.1615, gest. 17.09.1692) war in erster Ehe verheiratet mit dem berühmten Orgelmacher Joannes Goltfus (geb. 1596, gest. 14.12.1658 in Haacht), der bei Florens Hocque in Köln gelernt hatte. Nach dessen Tod heiratete sie am 22.08.1659 erneut, und zwar den Orgelbauer Jan Dekens (gest. ca. 1703), der nach Goltfus’ Tod die Haachter Werkstatt übernahm. Indirekt stand Joannes van den Panhuysen jun. (II) somit mit der Orgelbauerfamilie Goltfus-Dekens in verwandtschaftlicher Beziehung. Joannes van den Panhuysen jun. (II) starb am 13.12.1665 in Rotselaar; bis dahin hatte er dort auch das Amt der Bürgermeisters inne.
Aus der Ehe zwischen Joannes van den Panhuysen jun. (II) und Anna Grietens gingen 12 Kinder hervor, darunter als männliche Nachfolger Jan (geb. ?), Peter (geb. ?, gest. vor 1671), Abraham (get. 08.10.1642, gest. 03.02.1706), Isaac (get. 05.01.1645, gest. 17.08.1688) und Theodor Jakob (get. 15.05.1650). Während der drittälteste Abraham van den Panhuysen offenbar die Brauerei in Rotselaar wie auch das Bürgermeisteramt vom Vater weiterführte, dürfen wir den Erstgeborenen Jan van den Panhuysen (III) als den Orgelbauer annehmen.
In der Sekundärliteratur[2] wird der o. g., 1600 geborene Joannes van den Panhuysen jun. (II) oftmals als der „berühmte Orgelbauer“ genannt. Neben seinen Aufgaben als Bierbrauer und Bürgermeister wird er aber kaum Gelegenheit gehabt haben, sich auch intensiv als Orgelbauer zu betätigen, zumal dann auch dieser Beruf sicherlich in den genealogischen Quellen genannt worden wäre – nicht auszuschließen ist, dass er bei Goltfus/Dekens hin und wieder in der Werkstatt mitarbeitete. Vielmehr können wir jedoch jenen in dritter Generation genannten, Erstgeborenen Jan van den Panhuysen (III) als den „berühmten Orgelbauer“ annehmen. Naheliegend ist dann auch die Annahme, dass er das Orgelbauhandwerk in der Werkstatt des Onkels Goltfus/Dekens lernte. Die genealogischen Quellen geben zu jenem Jan van den Panhuysen (III) leider weder Auskunft über die genauen Lebensdaten noch über den Beruf, so dass die Vermutung von dieser Seite bislang nicht bestätigt werden kann. Dass auch sein Todesdatum nicht bekannt ist, spricht letztlich für die Tatsache, dass er als Orgelbauer unterwegs war und nicht an seinem Heimatort Rotselaar verstarb.

TÄTIGKEITSNACHWEISE
Sucht man nach Nachweisen des orgelbaulichen Wirkens van den Panhuysens, wird man zunächst in Spanien fündig: Hier war er zunächst 1657 in Sanlúcar de Barrameda bei Cádiz (Andalusien) und ging dann nach Jerez de la Frontera (ca. 25 km landeinwärts gelegen).[3] Möglicherweise haben sich noch zwei Instrumente von van den Panhuysen – wenn auch stark verändert bzw. nur noch in Teilen – erhalten, und zwar in der Iglesia de Santo Domingo de Sanlúcar de Barrameda und im Archäologischen Museum von Madrid.[4]
Während die meisten anderen flämischen Orgelbauer in Spanien blieben, kehrte van den Panhuysen nach einigen Jahren wieder in seine Heimat zurück. Hier wissen wir von der Erneuerung der Orgel in der St.-Gudula-Kathedrale zu Brüssel 1669. Der entsprechende Vertrag vom 16. August 1669 ist im Wortlaut u. a. abgedruckt in Ventes Repertorium.[5] Vente macht hier auf die Eigenart aufmerksam, dass das vierfache Cornett im Vertragstext auch als „nasaerds“ (Nasard) bezeichnet wird – vergleichbar mit dem „Nasaet 4 en 5 chorich“, der im Vertragstext 1662 für den Orgelbau in der Aa-Kerk Groningen durch J. G. van Hagerbeer aufgeführt ist. Ob aber deshalb eine Verbindung zwischen van den Panhuysen und dem dortigen Orgelbau gezogen werden darf, ist eher fraglich. Jedenfalls lässt sich hier der Einfluss seiner spanischen Orgelbauerfahrungen belegen, wo im 18. Jahrhundert ebenfalls Cornette unter dem Namen „Nasardos“ gebaut wurden.
1673 ist Johann Banhausen aus Brabant mit der Erneuerung der Orgel in der Franziskanerkirche St. Nikolaus in Aachen nachgewiesen. Er wird in diesem Zusammenhang als „berühmter Orgelbauer“ bezeichnet.[6]
Die bislang späteste Erwähnung des Namens findet sich im Rahmen einer „Verbeßerung“ der Orgel im Kloster St. Maria Magdalena zur Busse in Köln im März 1697 – ein „H. N. Panhuisen“ erhielt für die Arbeit 25 Rthl.[7] Aus dem Kloster kam eine Orgel 1804 nach Longerich und 1907 nach Listernohl bei Attendorn. Ob das bis heute in Neu-Listernohl erhaltene barocke Orgelgehäuse aber auf die Arbeit van den Panhuysens 1697 zurückgeht, muss fraglich bleiben. Vergleicht man das Neu-Listernohler Gehäuse etwa mit den Werke von Goltfus und Dekens oder dem erhaltenen Gehäuse in Sanlúcar de Barrameda, so gibt es doch deutliche stilistische Unterschiede.

In einem zeitlichen Rahmen von rund 40 Jahren lässt sich somit der Weg Jan van den Panhuysens (III) nachzeichnen. Während er in seinen frühen Jahren in Spanien offenbar auch neue Orgeln baute, sind aus seiner späteren Zeit nur mehr oder weniger größere Erneuerungsarbeiten an vorhandenen Orgeln bekannt. Aufgrund der spärlichen Anhaltspunkte lässt sich über van den Panhuysens Orgelbaustil kaum etwas sagen, die o. g. Feststellungen zur Disposition in Brüssel lassen aber die Vermutung zu, dass es in seinem Werk spannende Verknüpfungen zwischen flämischer und spanischer Orgelbautradition gegeben haben wird.
Über weitere Nachweise des Orgelbauers freue ich mich und erbitte eine Mitteilung an G.Isenberg@gmx.de.

 

[1] Hier sei auf die einschlägigen genealogischen Datenbanken verwiesen, die inzwischen ein wichtiges Hilfsmittel zur Ahnenforschung im Internet sind.

[2] U. a. Jos Cools: De Haachtsche orgelmakers Goltfus en Dekens en hun familie, Tongerloo 1940.

[3] Andrés Cea Galán: 'In Vlaanderen zal men dat veel beter maken dan elders'. Twee eeuwen Vlaamse orgelbouw in Spanje (1527-1714), in: Orgelkunst, Jg. 40, Nr. 1, 2017, S. 33–36, hier S. 35f.

[4] Ebd.

[5] Maarten A. Vente: Proeve van een repertorium van de archivalia betrekking hebbende op het Nederlandse orgel en zijn makers tot omstreeks 1625, Brüssel 1956, S. 46.

[6] August Brecher: Die kirchliche Reform in Stadt und Reich Aachen von der Mitte des 16. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts, Münster 1957, S. 211.

[7] Hist. Archiv der Stadt Köln, Best. 248 (Maria Magdalena): A 2, Bl. 10R. Siehe auch Ludwig Arntz u. a. (Hg.): Die ehemaligen Kirchen Klöster, Hospitäler und Schulbauten der Stadt Köln, Düsseldorf 1937, S. 229.

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Der Brabanter Orgelbauer Jan van den Pan
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