Mein Ur-Großvater väterlicher Linie [Kekule-Nr. 16 in der Ahnenliste]
Geboren am 15. Juni 1882 in Altendorf bei Essen – gestorben am 24. Januar 1968 in Dülmen-Limbergen.
Der »Altendorfer Dom« St. Mariä Himmelfahrt in Essen-West war der Dreh- und Angelpunkt im Leben von meinem Urgroßvater Josef Isenberg. Umso einschneidener wird sich daher der letzte Juli-Sonntag 1943 in sein Gedächtnis eingeprägt haben, als in der Nacht auf den Montag 26. Juli einer der schwersten Luftangriffe der Royal Air Force auf das Ruhrgebiet die Kirche wie auch die Wohnung der Familie Isenberg komplett zerstörte und damit sein Leben quasi aus den Angeln hob.
Von klein auf war Josef Isenberg mit dem Leben in und um die St.-Mariä-Himmelfahrt-Kirche vertraut gewesen. Sein Vater, der (wie er) auch den Namen Josef Isenberg trug, war um 1872 (also rund zehn Jahre vor seiner Geburt) aus dem kleinen westfälischen Dorf Scharfenberg bei Brilon in den aufstrebenden Industrieort Altendorf westlich von Essen gekommen. Als seine Eltern – Josef Isenberg sen. und die rund 14 jüngere Antonia Brüggenschmidt – 1881 geheiratet hatten, gab es den »Altendorfer Dom« noch nicht – es gab nur eine in Steinfachwerk gebaute Notkirche, die provisorisch für die stark anwachsende Bevölkerung errichtet worden war. In dieser Kirche wurde Josef Isenberg als ältester Sohn der Familie am 17. Juni 1882 – zwei Tage nach seiner Geburt am 15. Juni 1882 – auf den Namen Joseph Anton Theodor getauft. Seine Taufpaten waren Theodor Biermann (ein Kollege des Vaters) und Gertrud Stens – Letztgenannte war seine Urgroßtante (zu diesem Zeitpunkt 71 Jahre alt), bei der seine Oma Friederike Brüggenschmidt (geborene Dickmann gen. Rüsel) aufgewachsen war.
In Josefs ersten Lebensjahren wohnte die junge Familie in einem Beamtengebäude der Zeche Vereinigte Hagenbeck (Altendorf II 141) in unmittelbarer Nähe zur Zeche, also der Arbeitsstätte von Josefs Vater, und dem Elternhaus seiner Mutter. Bei einem Feuer im Sommer 1884 wurde zwar der Dachstuhl des Hauses ein Raub der Flammen, die Wohnung war aber dank des beherzten Eingreifens der Feuerwehr vor den Flammen verschont geblieben, so dass die Familie Isenberg hier auch in den kommenden Jahren wohnen bleiben konnte. Josef wuchs in einem kinderreichen Elternhaus auf, denn in den 22 Jahren nach seiner Geburt folgten elf Geschwister, von denen vier allerdings im Kindesalter starben. Da muss es in der Wohnung mit den Jahren schon recht eng zugegangen sein – und so bezog die Familie 1898 (da waren es bereits sieben noch lebende Kinder) eine neue, vermutlich größere Wohnung in der späteren Hagenbeckstraße (zunächst Altendorf II 133/1).
Mit der Gründung der eigenständigen Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt in Altendorf im Jahr 1889 wurde Josefs Vater zum Rendanten der Pfarrei gewählt, wodurch ihm die Aufsicht über die Finanzen der Kirchengemeinde oblag. Und das war in den kommenden Jahren von besonderer Bedeutung, da der Bau der neuen großen Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt anstand. Der von dem Straßburger Dombaumeister Franz Schmitz im neugotischen Stil entworfene, weiträumige Bau war im Dezember 1892 nach zweijähriger Bauzeit fertiggestellt. Die Konsekration erfolgte erst fünf Jahre später, am 28. Juli 1897 durch Weihbischof Dr. Antonius Fischer aus Köln.
Nach der Volksschulzeit in Altendorf, die er um 1896 beendet haben dürfte, absolvierte Josef Isenberg eine dreijährige Malerlehre. Er hegte den Wunsch, Dekorationsmaler bzw. Kirchenmaler zu werden. Warum er seinen Berufswunsch nicht in die Tat umsetzte, wissen wir nicht. Am 5. April 1899 – er war knapp 17 Jahre alt und hatte seine Malerlehre beendet – trat er den Dienst als Hilfsküster an St. Mariä Himmelfahrt an. In einer solch großen Kirche mit über 3000 Sitzplätzen und zahlreichen Gottesdiensten – der »Altendorfer Dom« war damals eine der größten Kirchen in und um Essen – ließ sich das Küsteramt kaum nur von einer Person ausüben. Und so unterstützte Josef Isenberg den Hauptküster Hermann Hinsenkamp bei seinem Dienst und wird sicherlich auch so manches mal Lehrer Peter Hennes an der Orgel vertreten haben. Vermutlich war es nicht Josefs ursprüngliches Ziel gewesen, seinen Lebensunterhalt als Küster zu verdienen – vielleicht ist so auch eine Zeitungsnotiz aus dem Essener General-Anzeiger vom 29. März 1906 zu verstehen, nach der Josef Isenberg die Erlaubnis zur Errichtung einer Schankwirtschaft in Altendorf erbeten hatte, was von dem Essener Stadtausschuss jedoch abgewiesen wurde. Und so ergab es sich, dass Josef im Juli 1907 schließlich die Nachfolge von Hermann Hinsenkamp als Hauptküster antrat – eine Festanstellung, die er für die nächsten 36 Jahre innehaben sollte. In dieser Funktion versah er neben dem Hauptorganisten Paul Werners vor allem an den Werktagen und bei Seelenämtern auch die Orgeldienste an der 1903 erbauten großen Orgel der Fa. Breil (Dorsten). Voller Stolz sprach man in der Familie von dem beeindruckenden Bau des »Altendorfer Doms« und der klangprächtigen, 45 Register großen Breil-Orgel, die seinerzeit zu den modernsten Instrumenten des Ruhrgebiets zählte. Die musisch-künsterlische Ader scheint zudem prägend in der Familie gewesen zu sein. Wo und wie Josef Isenberg das Klavier- und Orgelspiel gelernt hatte, wissen wir nicht; sein Bruder Aloys ging später jedoch sogar zum Studium an die Kirchenmusikschule in Regensburg, wo unter anderem Prof. Peter Griesbacher zu seinen Lehrern gehörte. Zusammen gründeten Josef und Aloys später die Sängervereinigung ›Freundschaftsbund‹ Essen-West; außerdem erteilte Josef privat Klavierstunden.
Vielleicht wird bei ihm etwas Wehmut mitgeklungen haben, als der bekannte Essener Kirchenmaler Wilhelm Immenkamp 1910 mit seinem großen Bilderzyklus »Marienleben« den Chor und das Querschiff des »Altendorfer Doms« künstlerisch gestaltete. Solche Kunstwerke zu schaffen, war doch auch einmal Josefs Traum gewesen ... Aber auch als Küster gab es freilich genug zu tun. Eindrucksvoll verdeutlicht das allein ein Blick auf die Gottesdienstordnung aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts: Am Sonntagvormittag gab es bis zu sieben Messen – an manchen Sonntagen schon um 5.00 Uhr Hl. Messe für die Krupp-Arbeiter, 6.00 Uhr Hl. Messe, 6.45 Uhr Hl. Messe mit Kommunion, 8.00 Uhr Hl. Messe mit Predigt, 9.00 Uhr Kindermesse, 10.00 Uhr Hochamt, 11.15 Uhr Messe mit Predigt. Am Sonntagnachmittag folgten dann z. B. um 13.45 Uhr eine Andacht für die Schulkinder, um 14.45 Uhr eine Andacht für die Jungfrauen- oder die Jünglingskongregation, um 15.15 Uhr Christenlehre und um 16.00 Uhr Andacht und Versammlung einer weitere Gruppierung, z. B. der Marianischen Kongregation oder des Vereins von der christlichen Familie. An den Wochentagen waren jeweils Hl. Messen um 6.00, 6.30, 7.15 und 7.45 Uhr, parallel dazu Gelegenheit zur Beichte (wo damals auch noch großer Andrang herrschte). Am Samstagabend um 19.00 Uhr gab es jede Woche eine Salve-Andacht mit sakramentalem Segen. Dazu kamen Taufen, Hochzeiten, Dankämter und Seelenämter – und das in großer Zahl: In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg waren es in manchen Jahren bis zu 20 Taufen pro Woche, später dann im Schnitt 6; die Zahl der Trauungen lag im Schnitt bei 2 bis 3 pro Woche, die der Beerdigungen im Wochenschnitt bei 4 bis 5. Und schließlich nicht zu vergessen: die regelmäßigen Aufgaben wie Glockenläuten und Pflege der liturgischen Gerätschaften (Kerzen, Altarwäsche usw.). Also wirklich ein ›Full-time-Job‹. Da konnte man früh morgens – noch nicht ganz wach – auf dem nur 150 Meter weiten Weg von zuhause bis zur Kirche schon mal vergessen, dass man unter dem Gehrock nur die nächtliche lange Unterhose anhatte ...
Und dennoch arbeitete Josef Isenberg als Kirchenangestellter viel für »Gotteslohn«, das Gehalt fiel eher kärglich auch. Und so musste Josef sich mit privatem Klavierunterricht sowie als Kassenbote bei Kaffee Sträter in Essen einen Zuverdienst erwerben. (Sein Bruder Aloys, der nach dem Kirchenmusikstudium auch in kirchlichen Diensten als Organist in St. Barbara Essen-Mitte stand, musste nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls seinen Verdienst aufbessern: Er war bei der Kruppenschen Häuserverwaltung tätig, d. h. er musste von Haus zu Haus gehen und die Mietgelder einsammeln.)
Doch mit dem zuvor Geschilderten blicken wir schon bis weit in die 1940er Jahre hinein. Daher zurück zu Josefs ersten Jahren als Hauptküster in Altendorf, das inzwischen als Stadtteil Essen-West der Stadt Essen zugeschlagen worden war. Im Alter von 28 Jahren begann für Josef Isenberg ein neuer Lebensabschnitt: Am 12. September 1910 heiratete er in ›seiner‹ St.-Mariä-Himmelfahrt-Kirche die rund zwei Jahre jüngere Katharina Gawenda aus Altendorf, am 27. November 1884 geboren als fünftes Kind des Krupp-Hüttenwerkers Thomas Gawenda und seiner Ehefrau Marianne (geb. Skornia). Trauzeugen waren Johannes Isenberg und Johannes Gawenda, beides Brüder der Brautleute. Josef Isenberg, der zuvor einige Jahre in einem Zimmer der katholischen Kirchengemeinde in der Marienstraße (heute Euskirchenstraße) Nr. 3 gewohnt hatte, zog nun mit seiner Ehefrau Katharina in eine Wohnung gegenüber im 1. Stock der Haskenstraße 15, die ihm von dem Bauunternehmer Husmann vermietet wurde. Später, so berichtete mein Großvater, wohnten im Stockwerk über der Familie Isenberg zwei Lehrerinnen und im Erdgeschoss eine ältere Hebamme.
Ein Jahr nach der Hochzeit, am 30. Dezember 1911 wurde dem jungen Ehepaar das erste Kind geboren: mein Opa, der wie der Großvater und der Vater den Namen Josef erhielt. In seinen Lebenserinnerungen schrieb mein Opa später dazu: »Am 30.12.1911 um 5.45 Uhr wurde ich in Essen an der Ruhr im Ortsteil Altendorf – mein Vater läutete gerade den Angelus – geboren. Ich war das erste Kind in einer Großfamilie und war damit der Kronprinz der Familie, der erste Stammhalter. Mein Pate war mein Großvater, den ich aber nicht kennenlernte, da er schon ein Vierteljahr nach meiner Geburt starb. Wie man mir später erzählte, war ich das Schauobjekt der gesamten Familie, als wenn man Maß an mir nehmen wollte. Von den sieben Geschwistern meines Vaters – vier Brüder und drei Schwestern – heiratete nur ein Onkel. So war ich also nur Kind-Ersatz. Jeder versuchte an mir herum zu erziehen. Meine Mutter war nur Nebensache.« Die drei unverheirateten Tanten, Josefs Schwestern Mathilde, Antonie und Maria gingen im Hause Isenberg ein und aus und mischten sich auch bei der Kindererziehung mit ein. Josef selbst kümmerte sich nicht so um die Kindererziehung, war damit vielleicht manchmal auch überfordert – aus seiner Sicht war das Frauensache; bei Spaziergängen beispielsweise lief er immer einige Schritte voraus, während seine Frau mit dem Kinderwagen hinter ihm herlaufen durfte.
In den nächsten Jahren folgte die Geburt der Söhne Alfred (13. Mai 1914) und Egon (3. September 1915). Allerdings war der Vater Josef Isenberg bereits Ende 1914 zum Kriegsdienst einberufen worden und musste seine schwangere Frau mit den beiden kleinen Kindern Josef und Alfred alleine zurücklassen. Zunächst war er in einer Kaserne in Köln stationiert. Sein Sohn Josef vermisste den Vater sehr, so dass seine Tanten zusammen mit ihm diesen einmal in Köln besuchten; später konnte er sich noch daran erinnern, wie sie auf der Rückreise mit einem Schiff auf dem Rhein von Köln nach Düsseldorf gefahren waren. Ende April 1915 wurde der Vater Josef Isenberg als Soldat im Elsass eingesetzt. In dieser Zeit wurde er im Küsteramt in St. Mariä Himmelfahrt u. a. von seinem Vorgänger Hermann Hinsenkamp vertreten; außerdem halfen mehrere ›Unterküster‹ mit, darunter anfangs auch sein Bruder Egon, der allerdings bereits am 5. März 1915 als Soldat fiel, noch bevor er sein anvisiertes Theologiestudium aufnehmen konnte.
Nach dem Krieg wurden die Kinder Johannes (4. Januar 1920) und Aloysia (17. Dezember 1921) geboren. 1925 gewährte der Kirchenvorstand der Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt Essen-West dem Küster Josef Isenberg das Recht auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenfürsorge im neu gegründeten Gesamtverband Essen des Katholischen Kirchensteueramts – für die damalige Zeit eine Neuerung, mit der die finanzielle Absicherung auch im Alter gewährleistet sein sollte. Seine Frau Katharina arbeitete darüber hinaus im Pfarrbüro der Kirchengemeinde.
Im Hause Isenberg war immer viel Leben, wie man auch auf alten Fotos erkennen kann, die in der Stube im ersten Stock der Haskenstraße 15 aufgenommen wurden (siehe links). Die vielen Gemälde an den Wänden zeugen von dem Kunstsinn Josef Isenbergs, Andachtsgegenstände (auf diesem Foto hier nicht zu sehen) geben Einblick in die tiefe Verwurzlung im katholischen Glauben. Und auch erklang immer Musik im Haus – nicht nur an den fünf Nachmittagen der Woche, an denen Josef Klavierstunden gab. Manchmal abends, wenn seine beste Klavierschülerin noch da war und Walzer spielen konnte, bat er seine Frau Katharina zum Tanz, und die fünf Kinder schauten begeistert zu. So wurde auch schon früh das große musikalische Interesse vor allem meines Großvaters geprägt, der sehr oft Sinfoniekonzerte, Opern- und Schauspielaufführungen in Essen besuchte. Etwas skurril war manchmal der Humor der alten Isenberg-Brüder Josef, Johannes und vor allem Aloys, der immer zu Scherzen aufgelegt war. Die drei Schwestern und der jüngste Bruder Alphons waren jedoch eher auf vornehme Strenge bedacht – Alphons, der 22 Jahre jünger war als sein ältester Bruder Josef, trat 1915 in den Dominikanerorden ein und wurde 1932 in Köln zum Priester geweiht; er trug den Ordensnamen Jordanus Maria Isenberg.
Ein schweres Schicksalsjahr war das Jahr 1936. Bei Josefs Ehefrau Katharina war bereits im Frühjahr 1935 Darmkrebs festgestellt worden. Trotz mehrfacher Operationen und Bestrahlungen ging es ihr zunehmend schlechter, sie war bettlägrig und musste von ihrer Familie versorgt werden. Josef Isenberg wusste mit dem Leiden seiner Ehefrau nicht so richtig umzugehen und ›floh‹ in ihren letzten Lebenswochen zu seinen Schwestern, während die Kinder, vor allem der älteste Sohn Josef (mein Opa) sich hingebungsvoll um die schwerkranke Mutter kümmerten. Am Vormittag des 17. Juli 1936 schließlich starb Katharina Isenberg und und hinterließ Josef mit seinen fünf Kindern im Alter zwischen 14 und 24 Jahren. Seine Schwestern unterstützten ihn zwar in den kommenden Jahren, dennoch waren die Kinder viel auf sich gestellt, was vor allem auch die jüngste Tochter Aloysia spürte, der nun eine weibliche Bezugsperson in der Familie fehlte. Josefs eher distanzierter Charakter war den Kindern dabei vermutlich auch wenig hilfreich, um über den schmerzhaften Verlust der Mutter hinwegzukommen.
Am 5. April 1939, wenige Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, konnte Josef Isenberg das 40-jährige Jubiläum als Hilfs- und Hauptküster an St. Mariä Himmelfahrt begehen. Der kurz darauf ausbrechende Zweite Weltkrieg brachte viele Entbehrungen mit sich – im täglichen Leben, aber auch im beruflichen Umfeld änderte sich vieles. Für die Rüstungsindustrie mussten Anfang 1942 die Kirchenglocken sowie die Zinn-Prospektpfeifen der Orgel im »Altendorfer Dom« zur Einschmelze abgeliefert werden. Und nicht zuletzt musste man in ständiger Angst vor den Luftangriffen leben, denen Altendorf wegen der Nähe zu den Krupp-Stahlwerken mit erhöhter Gefahr ausgesetzt war. Bereits im März 1943 hatte es schwere Luftangriffe der Alliierten auf die Essener Krupp-Stahlwerke gegeben, bei denen auch der »Altendorfer Dom« schwere Schäden erlitten hatte. In der Nacht vom 25. auf den 26. Juli 1943 ließ schließlich eine Armada von über 600 Bombern der Royal Air Force innerhalb von knapp 50 Minuten fast 2000 Tonnen Bomben auf Essen fallen. Die Krupp-Werke waren vollständig zerstört – und mit ihnen der »Altendorfer Dom« und das Wohnhaus der Familie Isenberg in der Haskenstraße. Gottseidank überlebten alle Menschen, die in den Luftschutzkellern des Marienheims und der Krypta Schutz gesucht hatten. Aber rundherum war alles zerstört. Mein Opa, der zu diesem Zeitpunkt schon als Arzt im St.-Laurentius-Hospital in Essen-Steele arbeitete, erzählte mir später, dass er in dieser Nacht schon von Steele aus den hellen Feuerschein über der Stadt sehen konnte und wusste: Das ist das Ende.
Mit diesem Datum endete auch der aktive Dienst des 61-jährigen Josef Isenberg als Hauptküster von St. Mariä Himmelfahrt. Seine Wohnung mit allem Hab und Gut war zerstört. Man konnte sich glücklich schätzen, dass alle Familienmitglieder mit dem Leben davongekommen waren. Josef Isenberg kam nun zunächst bei seinen Schwestern in der Lüneburger Straße 25 in Essen-Frohnhausen unter. Nach Kriegsende zog er zu seiner Tochter Aloysia, die zunächst eine Wohnung in Essen-Steele hatte und dann, mit ihrer Heirat, 1961 zunächst nach Dorsten-Hervest und schließlich nach Limbergen bei Dülmen zog, wo er bis zu seinem Lebensende blieb.
Fast 25 Jahre verbrachte Josef Isenberg nach der verheerenden Bombennacht im Juli 1943 bei seiner Tochter Aloysia im Ruhestand. Der katholischen Kirche blieb er mit täglichen Besuchen weiterhin treu, wenn auch nun nicht mehr im aktiven Dienst. Musikalisch scheint er sich in dieser Zeit nicht mehr selbst aktiv betätigt zu haben. Regelmäßig war er von Limbergen aus auch bei seinem Sohn Josef zu Besuch, der sich inzwischen als Arzt in Welper bei Hattingen niedergelassen hatte. So manche Eigenwilligkeiten sind meinem Vater an seinem Großvater noch in Erinnerung geblieben – zum Beispiel, dass er bei Besuchen immer sein eigenes Besteck in seiner Brusttasche dabei hatte. Man erzählte und scherzte viel, doch meist blieben die Erwachsenen unter sich. Das Verhältnis seiner Kinder untereinander, die ganz unterschiedliche berufliche Wege eingeschlagen hatten, war nicht immer ohne Spannungen, doch blieb man immer miteinander in Kontakt, was nicht zuletzt auch das Verdienst meines Opas als Ältestem der Geschwister war. Josefs jüngster Sohn Johannes führte gewissermaßen seinen ursprünglichen Berufswunsch weiter: Er ergriff den Beruf des Malers.
Josef Isenberg verstarb im Alter von 85 Jahren am 24. Januar 1968 zuhause in Limbergen; seine früh verstorbene Frau hatte er damit um fast 32 Jahre überlebt. Er wurde auf dem Helenen-Friedhof der St.-Mariä-Himmelfahrt-Gemeinde in Essen-West beigesetzt. Seiner Todesanzeige zufolge hatte er »bis kurz vor seinem Tode […] noch täglich seinen Weg in die von ihm so sehr geliebte Kirche von Karthaus [die neugotische St.-Jakobus-Kirche Dülmen-Karthaus] gemacht.« Nach einem erfüllten Leben voll »treue[r] Pflichterfüllung in seiner kirchlichen Berufsarbeit« war er nun in die Hände seines Schöpfers zurückgekehrt.
Josef Isenberg (29.03.1848 – 15.04.1912) ⚭ Antonia Brüggenschmidt (21.01.1862 – 15.03.1935)
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Josef Isenberg (15.06.1882 – 24.01.1968) ⚭ Katharina Gawenda (27.11.1884 – 17.07.1936)
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Dr. Josef Isenberg (30.12.1911 – 14.05.2007) ⚭ Anita Limper (25.07.1913 – 07.10.1983)
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Dr. Erwin Isenberg
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Dr. Gabriel Isenberg
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