Zwei Orgeln in Mettingen

Schon lange wollte ich die Fleiter-Orgel in der St.-Agatha-Kirche in Mettingen besuchen. Am vergangenen Freitag hatte ich kurzfristig die Gelegenheit dazu; außerdem konnte ich auch die Ott-Orgel in der benachbarten ev. Kirche kennenlernen und darüberhinaus anregende Gespräche mit dem Organologen Herbert Brügge, einem ausgesprochen versierten Kenner der westfälischen Orgellandschaft, und dem sehr orgelversierten ev. Pfarrer Kay-Uwe Kopton führen. Hier ein kurzer Erfahrungsbericht zu beiden sehr unterschiedlichen Orgeln.

Bei dieser Gelegenheit darf ich auch darauf hinweisen, dass meine schon seit längerem etwas vernachlässigte Internetseite www.orgelsammlung.de nun endlich wieder mit neuem Inhalt „gefüttert“ wird. Viele andere Projekte hatten mich in der vergangenen Zeit in Beschlag genommen, so dass ich die Aktualisierung und Vervollständigung der Seite doch ziemlich vernachlässigt hatte. Doch für die Zukunft habe ich mir vorgenommen, das zu ändern! Ein Anfang ist jedenfalls gemacht... Und für die detaillierte Vorstellung der beiden Mettinger Orgeln darf ich auch auf diese Seite verweisen – einfach auf das jeweilige Orgelbild klicken...

Fleiter-Orgel von 2010 in der St.-Agatha-Kirche Mettingen

» Vorstellung auf www.orgelsammlung.de

Neben der Orgel im Billerbecker Dom gehört die Orgel in Mettingen zu den wichtigsten Orgelarbeiten der Münsteraner Firma Fleiter in den letzten Jahren. Zu einem nicht unwesentlichen Teil beruht die Orgel auf wiederverwendetem Pfeifenmaterial aus der Vorgängerorgel von Breil (1973), die ebenerdig links neben der Apsis ihren Standort hatte.

Der Standort der Fleiter-Orgel in und vor dem Turmraum im Westwerk verschafft der Orgel eine gute klangliche Präsenz im Raum, bringt jedoch auch klimatische Schwierigkeiten mit sich, die je nach Witterung zu Verstimmungen zwischen den verschieden positionierten Teilwerken führen. Mit ihrer extravaganten Prospektgestaltung ist die Orgel ein Hingucker. Die großen Pedalpfeifen zu beiden Seiten sind an einem Stahlgerüst aufgehängt und von der Lade abgeführt (hinter ihnen befindet sich kein weiteres Pfeifenwerk). Das zweigeteilte Hauptwerk im Turmbogen ist durch die Chamaden in der Mitte verbunden, das Gehäuse ist nicht geschlossen. Im Turmraum stehen in schlichten Holz-Gehäusen das Schwellewerk (seitlich) und das Pedalwerk (hinten). Der freistehende Spieltisch befindet sich mittig vor der Orgel.

Um es gleich vorweg zu sagen: Die Orgel ist laut! Der versierte Organist muss also mit Bedacht registrieren, was aber auch nicht schwerfallen wird, weil die Lautstärke am Spieltisch noch mal deutlich höher ist als im Kirchenraum. Vor allem das Hauptwerk und die Chamaden, die sich keine zwei Meter vom Spieler entfernt befinden, sind sehr präsent. Unabhängig von der Lautstärke ist die intonatorische Einbindung der Breil-Pfeifen in das neue Konzept ausgesprochen gut gelungen, was besonders im Hauptwerk mit nur vier neuen von insgesamt 13 Registern auffällt. Die Prinzipale haben Charakter, die Mixtur edlen Glanz, von kräftiger Fülle ist die Flûte harmonique, flötig-rund klingt die Rohrflöte, die Gambe streicht eher zurückhaltend.

Zumindest vom Spieltisch aus fällt das üppig besetzte Schwellwerk dynamisch deutlich zurück – nicht zuletzt wahrscheinlich der „versteckten“ Aufstellung im Turmraum geschuldet. Die Intonation ist auch hier ausgeprochen gut gelungen, sehr gut mischfähig und wenig aufdringlich, aber auch sehr charakteristisch in den Einzelstimmen. Besonders die verschiedenen 8'-Stimmen konnten mir sehr gut gefallen, die Voix humaine 8' war für meinen Geschmack etwas zu aufdringlich. Für den „richtigen“ französischen Zungenklang fehlten mir am Ende jedoch eine ordentliche Bombarde 16' und/oder ein Clairon 4' – vielleicht wäre hier ja noch was mit Oktavkoppeln machbar gewesen...

Allerdings sorgt das Chamadewerk schließlich für den „Wums“, der dem Organisten auch ordentlich um die Ohren bläst. Das horizontale Chamadenregister ist als Oktavauszug als 16', 8' und 4' vom dritten Manual aus zu spielen, dazu kommen Flûte harmonique und Cornet als Transmissionen aus dem ersten Manual. Klanglich durchaus überzeugend, störte mich bei dem Werk jedoch die extrem sensible elektrische Ankopplung erheblich, die es kaum möglich machte, ohne „Streiftöne“ zu spielen, was bei so lauten Registern natürlich überaus störend ist – aus meiner Sicht muss hier unbedingt nachgebessert werden.

Bleibt noch das Pedal, das eine gute und vielseitige klangliche Grundlage bietet, sehr angenehm, füllig und gut tragend ist der Offenbass 32', in der großen Oktave akustisch ausgeführt.

Auch wenn ich mich auf der Orgel eher symphonisch „ausgetobt“ habe, glaube ich, dass die Orgel auch in anderen Stilbereichen mit ihrer Qualität überzeugen kann. Wie schon erwähnt, tut der Spieler gut daran, das Hauptwerk sehr mit Bedacht zu registrieren – bleibt zu überlegen, ob nicht ein „Weniger“ an Lautstärke manchmal doch ein „Mehr“ an klanglicher Vielfalt bedeuten würde...

Ott-Orgel von 1976 in der ev. Kirche Mettingen

» Vorstellung auf www.orgelsammlung.de

Eine völlig andere Welt bot sich in der nur unweit entfernten ev. Kirche von Mettingen: Eine frisch überarbeitete Orgel aus der Werkstatt Paul Ott von 1976. Ott-Orgeln haben ja nicht den besten Ruf, der im Wesentlichen in einem sehr steilen Klangaufbau mit wenig Klangfundament begründet ist. Die Mettinger Orgel hat mich hier allerdings äußerst positiv überrascht!

Bereits bei der ersten Überarbeitung 1996 hatte die Orgelbaufirma Alfred Führer aus Wilhelmshaven hier Hand angelegt. Die Intonation wurde dabei von Matthias Gärtner und Kollegen sehr gewissenhaft und umfassend überarbeitet – und das hört man auch. In manchen Registern klingt die Mettinger Orgel mehr nach Führer-Orgel als nach Ott-Orgel: runde, weiche Klänge mit wohldosiertem Grundstimmenanteil, sehr gut mischfähig, kein bisschen hölzern oder „kratzig“. Selbst das steil disponierte Brustwerk (übrigens mit guter Schwellwirkung) ist trotz der hochliegenden Zimbel als Klangkrone nicht spitz oder schrill, sondern sehr angenehm „glitzernd“.

Bei der letzten Überarbeitung durch Martin Cladders (Badbergen) im vergangenen Jahr wurde die Intonation nochmal nachgearbeitet, zudem erhielt das Hauptwerk zusätzlich eine 8'-Trompete auf neuem Pfeifenstock, und die Pedaltrompete wurde von 8' zu 16' umgeändert. Durch diese Registeränderungen erhält der Gesamtklang zusätzlich Fülle mit gutem Fundament und ohne Aggressivität.

Mein Favorit unter den Registern war das herrliche Regal 8' im Brustwerk, das sich sowohl solistisch als auch in Kombination mit anderen Registern als äußerst vielseitig präsentierte.

Die große Orgel in St. Agatha ist das vielseitigere der beiden großen Mettinger Instrumente und bietet zahlreiche inspirierende Möglichkeiten, während die Ott-Orgel in der ev. Kirche ganz klar für die polyphone und weniger symphonische Musik prädestiniert ist. In ihrer konzeptionellen Schlüssigkeit steht die Ott-Orgel der Fleiter-Orgel jedoch in nichts nach, im Gegenteil: Sie spricht eine kompromisslos klare Sprache, die klanglich und technisch absolut funktioniert. Ein absolut spannender Vergleich! Und dass beide Instrumente auch in Zukunft die ihnen gebührende Aufmerksamkeit erlangen, dessen bin ich bei den orgelinteressierten Personen vor Ort gewiss!

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Kommentare: 3
  • #1

    Dorfbewohner (Sonntag, 27 Juni 2021 23:50)

    Immer diese lauten Orgeln.
    Billerbeck ist nahezu unerträglich. Mettingen und Ahaus auch. Was ist daran schön? Das macht keine Musik sondern tut nur weh.

  • #2

    Markus Theising (Dienstag, 29 Juni 2021 08:14)

    Eine Orgel muss beides können, laut und leise. Es gehört zu den Kunstfertigkeiten des Organisten, entsprechend zu registrieren.

  • #3

    Orgelliebhaber (Mittwoch, 28 Februar 2024 07:22)

    Ja, auch eine Neobaroque-Orgel kann man laut und leise registrieren. Dennoch hat die pauschale Aussage diese Orgel sei laut viel Wahres: Als explizit romantisches Werk geplant, sind bereits die Einzelregister im Verhältnis zur Raumgröße viel zu laut, eine Gambe, die das Gestühl zersägt, Prinzipale, die bei gleicher Lage fast gleich klingen, Baßregister, die wummern und dröhnen. Ich sah kleinere Kinder im Konzert, die sich die Ohren zuhielten. Ich habe es aus Anstand nicht getan. DIe Intonation des Instrumentes ist nach meinem Anhören ein völliges Desaster.