Auch im Lockdown arbeiten die Orgelbauer und Orgelsachverständigen weiter. Gestern war ich zur Abnahme der abgeschlossenen Renovierungsmaßnahmen an der historischen Haupt-Orgel in St. Michael Kneheim (Kreis Cloppenburg). Die Orgel stammt von der Orgelbauanstalt „Rud. Haupt Inh. Carl Haupt“ aus Osnabrück aus dem Jahr 1934 – einer Zeit, als die Epoche der „romantischen“ Orgeln sich dem Ende zuneigte und die Gedanken der sog. Orgelbewegung allmählich Niederschlag in den Instrumenten fanden. So weist auch die Kneheimer Orgel mit pneumatischer Traktur, ausgedehntem Spielhilfenapparat und vielen Grundstimmenregistern noch deutlich die Merkmale des romantischen Orgelbaus auf, dagegen besitzt das Schwellwerk mit dem „Italienischen Principal“, Blockflöte und Sesquialter (2 2/3'-Reihe in Rohrflöten-Bauweise) schon orgelbewegt von der Barockorgel inspirierte Register. Das vergleichsweise schwach besetzte Hauptwerk im Gegensatz zu einem üppiger besetzten Schwellwerk (mit Trompete) ist eine in dieser Zeit durchaus häufiger anzutreffende Dispositionsweise, die eine gute dynamische Schattierung der Klänge erlaubt.
Die pneumatische Steuerung der Orgel ist sehr diffizil und durchaus störungsanfällig, auch die Reaktionszeit der Traktur ist eher behäbig. Wirkliche Strahlkraft kann die Mixtur nicht verbreiten, obwohl ihr schon in der Vergangenheit der tiefste Chor entfernt wurde, um sie weniger dumpf zu machen. Insofern ist die Kneheimer Orgel aus musikalischer Sicht nicht unproblematisch. Und dennoch gehört sie zu den wenigen (weitgehend) unverändert erhaltenen Exemplaren einer lange in generellen Verruf geratenen Epoche des Orgelbaus. Aus diesem historischen Bewusstsein und auch vor dem Hintergrund der Anforderungen, die an das Instrument im musikalischen Leben der kleinen Kneheimer Gemeinde gestellt werden, konnte nur die Erhaltung und Instandsetzung des bestehenden Instruments infrage kommen.
Die Orgelmanufaktur Stefan Peters aus Glandorf hat sich der Aufgabe angenommen und im vergangenen Jahr sowie Anfang 2021 in zwei Bauabschnitten zunächst den pneumatischen Spieltisch restauriert und dann eine Reinigung, Überholung und Nachintonation des Orgelwerks vorgenommen. Auch die optionalen Gehäusearbeiten sowie der Einbau eines neuen Tremulanten wurden von der Kirchengemeinde in Auftrag gegeben.
Nach der sehr gewissenhaft ausgeführten Arbeit des Orgelbaubetriebes ist die Orgel nun wieder in einem dauerhaft guten Zustand. Stefan Peters und sein Team konnten aus dem gegebenen Material das Optimum herausholen: Das Klangbild ist nun wieder in sich homogen, der neue Tremulant fügt sich mit seiner angenehmen Amplitude gut in den Orgelklang ein, die Windversorgung ist stabil und der pneumatische Spieltisch arbeitet wieder in all seinen Funktionen zuverlässig. In dem Bewusstsein, dass die Pneumatik auch weiterhin anfällig z. B. gegenüber klimatischen Schwankungen im Kirchenraum ist, hat der Orgelbauer eine Klimaüberwachung mittels Datenlogger installiert, die das Jahr über alle Daten aufzeichnet.
Damit ist die Orgel nun „fit“ für die zukünftigen Jahre, und so konnte ich die Arbeiten der Kirchengemeinde zur Abnahme empfehlen.
Im Rahmen der Abnahme habe ich auch eine kleine Tonaufnahme gemacht, die hier zu hören ist:
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Ikarus Kaiser (Montag, 18 Januar 2021 21:37)
Meine herzliche Gratulation zur Orgelrestaurierung! Sicher ein sehr schönes Instrument. Die Aufnahme gefällt mir sehr gut. Den Organisten und Zuhörern viel Freude mit der restaurierten Orgel.
Beste Grüße aus Wilhering / Oberösterreich
Ikarus Kaiser, Stiftsorganist